Stimmen aus Ungarn: „Schweizer Friedensgipfel“ als Trostpflaster für Selenskyj

Ein Artikel von Gábor Stier

Wolodymyr Selenskyj versucht verzweifelt, den Schweizer Friedensgipfel zu retten. Der ukrainische Präsident hat sich persönlich bei einer Reihe von Ländern für die Annahme des ukrainischen Friedensplans eingesetzt, mit mäßigem Erfolg. Deshalb kommt er mit einem abgespeckten Paket auf den Bürgenstock bei Luzern, bei dem nur noch drei Themen – nukleare Sicherheit, Lebensmittelsicherheit und Gefangenenaustausch – für die Aushandlung einer gemeinsamen Position übrig bleiben. Es ist absehbar, dass das Treffen wenig bringen wird, und so ist es kein Zufall, dass Saudi-Arabien bereits mit den Vorbereitungen für den nächsten Gipfel begonnen hat. Von Gábor Stier, Übersetzung von Éva Péli.

Vor einer Woche sprach Wolodymyr Selenskyj mit der New York Times und anschließend in Singapur über die Strategie der Ukraine für den Schweizer Friedensgipfel am 15. und 16. Juni. Das ukrainische Staatsoberhaupt erklärte, es gebe drei Themen von globaler Bedeutung, zu denen ein Konsens gesucht und gemeinsame Positionen erarbeitet werden müssten. Das Erste ist die Sicherstellung des Exports ukrainischer Lebensmittel, der für die Ernährungssicherheit in den Entwicklungsländern von größter Bedeutung ist. In diesem Zusammenhang wird Kiew sicherlich versuchen, die Konferenzteilnehmer dazu zu bewegen, Russland aufzufordern, die Angriffe auf ukrainische Häfen einzustellen. Das Zweite ist der Gefangenenaustausch auf der Grundlage des Prinzips „jeder für jeden“. In diesem Zusammenhang sprach er auch über die Rückkehr der ukrainischen Kinder aus Russland in die Ukraine. Drittens soll die Sicherheit des Kernkraftwerks Saporischschja garantiert werden, was aus ukrainischer Sicht bedeuten würde, dass sich die russischen Truppen aus dem Gebiet des Kraftwerks zurückziehen. Kiew verzichtet also darauf, seinen Einigungsplan als Paket mit den beteiligten Ländern zu vereinbaren.

Wir sollten nicht vergessen, dass der vor einem Jahr in Kopenhagen eingeleitete Prozess darauf abzielte, die Unterstützung des sogenannten Globalen Südens für einen Zehn-Punkte-Friedensplan für die Ukraine zu gewinnen, der auch als Selenskyj-Formel bekannt ist. Dieser Friedensplan beinhaltete unter anderem den Abzug der russischen Truppen von ukrainischem Territorium innerhalb der Grenzen von 1991 und eine russische Reparationsverpflichtung. Im Vergleich dazu kann das jetzige, abgespeckte Paket bestenfalls als Schadenersatz angesehen werden.

Wie sehr die Selenskyj-Formel in den Hintergrund geriet, zeigt sich daran, dass Kiew in einer anderen Frage ebenfalls von seinem bisherigen Standpunkt weggerückt ist. Selenskyj hat sich nämlich bisher kategorisch geweigert, mit Moskau zu verhandeln, während es in dem Entwurf des Dokuments, das auf dem Gipfel in der Nähe von Luzern verabschiedet werden soll und welches das Nachrichtenportal Bloomberg durchsickern ließ, heißt, dass alle Parteien gebraucht werden, um den Krieg zu beenden. Die Verfasser des Entwurfs haben sich daher darauf geeinigt, konkrete Schritte zu unternehmen, die als vertrauensbildende Maßnahmen in den oben genannten Bereichen dienen könnten, und zwar unter weiterer Einbeziehung von Vertretern der Russischen Föderation.

„Globaler Süden“ für den chinesischen Friedensplan

Kiew hat kaum eine andere Wahl. Es ist klar, dass der ‚Globale Süden‘ allenfalls mit den allgemeinsten Punkten der sogenannten Selenskyj-Formel einverstanden ist. Diese wenigen Punkte könnten die gemeinsame Basis zwischen dem Westen und der Welt außerhalb des Westens sein. Der chinesische Friedensplan, der sofortige Verhandlungen und eine Einstellung der Feindseligkeiten vorschlägt, findet in den Ländern des ‚Globalen Südens‘ eine viel größere Unterstützung.

Für die Ukraine besteht das Problem bereits darin, die Großmächte der Welt in der Schweiz zusammenzutrommeln. China hat sich nicht einmal dazu überreden lassen, über das oben genannte Minipaket zu verhandeln. Peking schickt überhaupt keinen Vertreter auf den Bürgenstock, weil es glaubt, dass Verhandlungen ohne Russland sinnlos sind. Es ist aber bereit, eine Konferenz mit allen betroffenen Parteien zu organisieren. Eine ähnliche Haltung nehmen auch Brasilien und Saudi-Arabien ein, die den letzten Meldungen zufolge ebenso wie Pakistan nicht in der Schweiz vertreten sein werden. Aber auch der brasilianische Präsident Lula da Silva, der indische Premierminister Narendra Modi und der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa werden fernbleiben. Diese Länder lassen sich auf einer niedrigeren Ebene vertreten. Brasilien wird voraussichtlich durch seinen Botschafter vertreten sein, während Indien einen Beamten unterhalb des Ministerrangs entsenden wird.

Peking kündigte seine Abwesenheit effektvoll vor Selenskyjs Auftritt auf der Konferenz in Singapur an, was einen kleinen Wutanfall des ukrainischen Präsidenten zur Folge hatte. Selenskyj wandte seinen in Europa gut bekannten Stil an und griff China an. Er beschuldigte Peking, zusammen mit Russland neutrale Länder unter Druck zu setzen, damit sie am Gipfel des Westens in der Schweiz nicht teilnehmen.

Vielleicht war Selenskyj auch frustriert über die Gleichgültigkeit der Asiaten. Schließlich ist die Ukraine-Krise nicht die größte Herausforderung in diesen Regionen der Welt, und die westliche Rhetorik über universelle Werte ist wohlbekannt und wird schon lange nicht mehr geglaubt. Sie stellen sich jedoch nicht offen gegen die Vereinigten Staaten, und sei es nur, weil die wachsende Expansion Chinas sie zu Vorsicht veranlasst. Der ukrainische Präsident hätte also in dieser politischen Arena der Welt etwas zu gewinnen, aber seine Ungeduld hilft ihm nicht dabei, seine Ziele zu erreichen – ganz im Gegenteil!

Das zeigt auch, dass das Hauptziel, den sogenannten Globalen Süden zu überzeugen, schon vor dem Gipfel verfehlt war. Außerdem wird US-Präsident Joe Biden wegen einer Wahlkampfveranstaltung nicht in der Schweiz sein, sodass die USA durch Vizepräsidentin Kamala Harris und den Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan vertreten sein werden.

Selenskyjs Mini-Friedenspaket

So gesehen ist es bloß eine nette Geste, dass mehr als 100 Länder anwesend sein werden, darunter Frankreich mit seinem Staatsoberhaupt, Japan, Kanada, Deutschland und Italien auf Ministerpräsidentenebene. Der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel und die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werden auch dabei sein. Dies hat jedoch bestenfalls eine symbolische Bedeutung, denn sie werden nicht viel von der Selenskyj-Formel überzeugt werden müssen. Selenskyj bleibt nichts anderes übrig, als zu versuchen, das Minipaket zu verkaufen und seine Annahme als seinen Sieg zu erklären.

In der Zwischenzeit kann er sich auf den nächsten Friedensgipfel vorbereiten, der angeblich wieder in Saudi-Arabien zustande kommt und bei dem es wohl hauptsächlich wieder darum gehen wird, ob Moskau eingeladen werden soll. Ohne diese Frage ist doch das Ganze sinnlos.

Das sagte auch der bekannte US-amerikanische Politikwissenschaftler John Mearsheimer kürzlich. „Wenn wir sinnvolle Friedensgespräche führen wollen, in denen wir versuchen, diesen Krieg zu beenden, müssen die Ukrainer direkt mit den Russen verhandeln“, so der realistische Analytiker. Der Professor für Politikwissenschaften an der University of Chicago wies auch darauf hin, dass seit Beginn des Konflikts im Jahr 2022 nur zwei Friedensinitiativen zu „bedeutsamen Fortschritten“ geführt haben – die von der Türkei vermittelten Gespräche in Istanbul im März 2022 und die separaten Gespräche, die der damalige israelische Premierminister Naftali Bennett über Hintertüren vermittelt hat. Nach den in Istanbul vorläufig vereinbarten Bedingungen wäre die Ukraine im Gegenzug für internationale Sicherheitsgarantien ein neutraler Staat mit begrenzten militärischen Kräften geworden. Der damalige britische Premierminister Boris Johnson „überredete“ Kiew jedoch, sich aus den Verhandlungen zurückzuziehen. Dies wurde unter anderem von Bennett bestätigt, der erklärte, dass jede Chance auf einen Frieden im Jahr 2022 von den USA und ihren Verbündeten torpediert worden sei. Diese hätten die Ukraine angewiesen „weiterzukämpfen“ und die Vereinbarung von Istanbul „blockiert“.

Titelbild: Shutterstock / Michael Derrer Fuchs

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Опубликовано lyumon1834

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