Kommunismus, Judaismus und der Friedhof in Prag

Bucheinführung: “Von der Ideologie der Wissenschaft zur Wirklichkeit des Menschen”

Ein Meinungsbeitrag von Alexander Flügel.

“Die Soldaten hatten offenbar nur eine Aufgabe: keine Gefangenen zu nehmen – alle gefangenen Kommunarden mussten getötet werden. Der Befehl wurde gegeben, wie ich mit eigenen Augen sah, dass dann, wenn eine Gruppe Gefangener zehn überstieg, das Erschießungskommando durch ein Maschinengewehr ersetzt wurde.”

So beschreibt Umberto Eco eindrucksvoll die Niederschlagung der Pariser Kommune im Jahr 1871 in seinem Roman “Der Friedhof in Prag”. Zum Glück ist das alles Phantasie, könnten wir meinen, aber so einfach ist das leider nicht: Eco machte seine Hausaufgaben und studierte gründlich die historischen Quellen. Es ist erstaunlich, mit welch unsäglicher Brutalität kommunistische, sozialistische und linke Sozialreformer verfolgt wurden. Denken wir nur an Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Kurt Eisner, Mohammed Mossadegh, Salvador Allende, Thomas Sankara oder Óskar Romero. Denken wir auch daran, wie man nach 1945 linke Politiker in Griechenland, Italien und andernorts in Westeuropa kaltstellte oder SPD-Mitglieder auf Todeslisten des Geheimdienstes in der neu gegründeten BRD landeten.

Warum? Woher kommt diese unbändige Gewalt? Was ist der Grund für solch grenzenlosen Hass? Ist das damit zu erklären, dass es Josef Stalin aufzuhalten galt? Oder wollte man Umständen wie während der Terrorherrschaft zur Zeit der französischen Revolution 1793/94 zuvorkommen? – Dies kann unmöglich der Hauptgrund gewesen sein, denn keiner der genannten Politiker ist mit Stalin oder den französischen Revolutionären vergleichbar.

Angenommen, dass Kommunisten deswegen bekämpft wurden, weil sie den Plan hatten, Wohlhabenden ihre Reichtümer wegzunehmen, dann verwundert die emotionale Intensität der Gegnerschaft noch immer. Haben in einer kapitalistischen Gesellschaft nicht alle die Absicht, sich gegenseitig die Reichtümer zu nehmen, so viel wie möglich auch mit illegalen und moralisch fragwürdigen Mitteln? Ja, das ist Grund für Gegnerschaft, aber der Hass, den wir immer wieder beobachten können, muss ein tieferes Fundament haben. Marx und Engels sagten seinerzeit im Kommunistischen Manifest dazu:

“Die Aufhebung [der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse im Kommunismus] nennt die Bourgeoisie Aufhebung der Persönlichkeit und Freiheit.”

Diese als existentiell empfundene Gefahr ist der eigentliche Grund für den geschilderten Hass, die Auslöschung der Individualität, einschließlich des Lebenssinns. Die unmittelbare psychologische Reflexion einer solch totalen Vernichtung ist der Hass. Er richtet sich nicht nur gegen Kommunisten, aber auch gegen Gegner des Kommunismus, gegen andere Weltanschauungen und Religionen.

Wenden wir uns wieder Umberto Ecos Roman “Der Friedhof in Prag“ zu:

“Wir brauchen einen Feind, um den Menschen Hoffnung zu geben … die Bedeutung der Identität beruht … auf Hass, auf Hass auf diejenigen, die nicht so sind wie wir. Der Hass muss als staatsbürgerliche Leidenschaft kultiviert werden. Der Feind ist der Freund des Volkes. Man braucht immer jemanden, den man hassen kann, um sich in seinem eigenen Elend gerechtfertigt zu fühlen. Hass ist die wahre ursprüngliche Leidenschaft… Man liebt nicht sein ganzes Leben lang jemanden – diese unmögliche Hoffnung ist die Quelle von Ehebruch, Muttermord, Verrat an Freunden … Aber man kann jemanden sein ganzes Leben lang hassen – vorausgesetzt, er ist immer da, um den Hass am Leben zu erhalten. Hass wärmt das Herz.”

Jemand, der so die Gesellschaft auf Hass aufbaut, ist jemand, der sich sicher ist, den Hass zu seinem Vorteil lenken zu können, es ist jemand, der Macht hat.

Karl Marx ist nicht der Erste, der die Vision hatte, dieses Narrativ der Macht umzukehren, sozusagen die Welt aus den Angeln zu heben. Gemäß Marx gehört nicht den Mächtigen die Zukunft, sondern den Unterdrückten. Diese haben die Aufgabe, im Kommunismus allen Kampf zu überwinden, sodass “die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist”.

Die Vision der Umkehrung der Werte ist ein Archetyp, der zuerst im Judaismus zum Ausdruck kam, etwa in der Erzählung von David und Goliath oder im geflügelten Wort der Umschmiedung der “Schwerter zu Pflugscharen” bei Micha und Jesaja. Die Teleologie des Kommunismus (und auch die der wissenschaftlichen Neugier) wurde im Judaismus erfunden (oder besser: erkannt). Ist es ein Zufall, dass im oben genannten Roman Ecos ausgerechnet der Judenhass eine zentrale Rolle spielt? Fiel nicht gerade in Israel die kommunistische Idee auf fruchtbaren Boden in Form der Kibbuzim und Moschavim? Der Prophet Joel sagt im Tanach, dass in der Endzeit Frauen und Männer, Junge und Alte, Herren und Sklaven und alle Völker vereint sein werden:

“Ich werde meinen Geist auf alle Menschen ausgießen. Eure Söhne und Töchter werden weissagen, die Alten werden Träume, die Jungen Visionen haben. Auch auf die Sklaven, Männer und Frauen, werde ich in diesen Tagen meinen Geist ausgießen.”

Was hat das mit uns heute zu tun? – Solche Archetypen, wie sie sich im Judaismus und später im Kommunismus äußerten, können nicht einfach negiert, vernichtet oder als kindisch abgetan werden, sondern verlangen nach Verständnis und entsprechender Integration. Auch wenn Visionen wie Sterne nicht unmittelbar mit Händen greifbar sind, dienen sie doch als Leitpunkte der Orientierung. – Konsultieren wir zur Inspiration wieder Umberto Eco. Im genannten Roman heißt es bezüglich dem französischen Kaiser Napoleon III.:

“Die Tyrannei … wurde dank des allgemeinen Wahlrechts erreicht! Der Schurke [Napoleon III.] hat einen autoritären Staatsstreich durchgeführt, indem er an den unwissenden Pöbel appellierte! Dies ist eine Warnung an uns, was die Demokratie von morgen angeht.”

Napoleon III., der Totengräber der Zweiten Französischen Republik, begründete sein Kaiserreich auf populärer demokratischer Abstimmung, oder zumindest verlief die Abstimmung unter dem Einfluss entsprechender staatlicher Agitation zur Zufriedenheit einer überwältigenden Mehrheit der Bürger. Sein Beispiel zeigt, dass Demokratie nicht automatisch Demokratie ist, sondern Wachsamkeit erfordert. Sind wir heute wachsam? Verstehen wir, was uns die Umkehrung der Werte im Judaismus und im Kommunismus zu sagen haben?

Wir können unsere Gesellschaft nicht sinnvoll gestalten, solange wir uns nicht ernsthaft nach nachhaltigen Antworten zu diesen Fragen auf die Suche machen. Es führt ins Leere, ein Flickwerk halbherziger Reformen durchzuführen, und dann zu hoffen, dass sich das Himmelreich oder das Schlaraffenland automatisch von selbst einstellt. Die menschliche Gesellschaft ist kein Mechanismus, sondern ein von Menschen gestalteter Organismus.

In der Neuerscheinung “Von der Ideologie der Wissenschaft zur Wirklichkeit des Menschen” im Gerhard Hess Verlag gehe ich diesen Fragen nach. Um klar denken zu können, müssen wir die Ideologisierung der Wissenschaft überwinden. Mit dieser Ideologisierung meine ich nicht nur politische Tendenzen, sondern viel grundlegender eine Feindschaft in der wissenschaftlichen Methode und in den Axiomen (Glaubenssätzen) gegenüber der Menschlichkeit an sich. Dann, wenn Menschen, geleitet durch Vernunft, ihre ursprüngliche Würde in Wahrheit, Freiheit und Liebe entdecken, wird sich unser Leben entsprechend entfalten, sowohl im Kleinen als auch im Großen.

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Die Neuerscheinung umfasst drei Bände. Hier die Links zum Buchkauf:

Band 1https://www.buchkomplizen.de/von-der-ideologie-der-wissenschaft-zur-wirklichkeit-des-menschen-1-band.html
Band 2https://www.buchkomplizen.de/von-der-ideologie-der-wissenschaft-zur-wirklichkeit-des-menschen-2-band.html
Band 3https://www.buchkomplizen.de/von-der-ideologie-der-wissenschaft-zur-wirklichkeit-des-menschen-3-band.html

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: nitpicker / Shutterstock.com

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Опубликовано lyumon1834

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